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Lernvideos, wichtiger denn je?

Wir alle gucken uns immer mal wieder eins an, nicht nur in Zeiten von E-Learning bedingt durch Corona.  Manchmal schauten wir sie sogar völlig gestresst mitten in der Nacht vor der Klassenarbeit bzw. Klausur, nachdem festgestellt werden musste, dass noch so einiges unklar ist. Wir hoffen, so zumindest ein gewisses Grundwissen zum Thema in den Kopf zu bekommen, auf das am sowieso viel zu früh kommenden nächsten Tag zurückgegriffen werden kann. Genau, die Rede ist von Lernvideos auf YouTube.

Da gäbe es einmal TheSimpleClub, der wohl bekannteste Channel hinsichtlich Lernvideos, der viele Schüler durch moderne Animation in Verbindung mit speziellem Humor und abwechslungsreicher Intonation überzeugt. Genau das wird aber auch kritisiert: Die zwei Gründer produzieren eher ein Mittel zur Unterhaltung, ein richtiges Verstehen wird  schon durch das schnelle Sprechen unmöglich gemacht.

Sehr bekannt ist auch der Kanal „Mathe by Daniel Jung“, bei dem im Gegensatz zum SimpleClub ganz nüchtern ohne Begrüßung und Verabschiedung vor der Tafel der Mathestoff vermittelt wird. Bei Langeweile (ganz egal, ob resultierend aus einem plötzlichen Geistesblitz dank Daniel Jung, der weiteres Aufpassen unnötig erscheinen lässt, oder doch nur wegen der sich mal wieder aufdrängenden Erkenntnis, dass man ein hoffnungsloser Fall ist und weiteres Aufpassen auch nichts mehr zur Sache tut) bleibt einem aber eben bestenfalls noch übrig, über die heutige Auswahl seiner knalligen T-Shirt-Farbe zu philosophieren. Oder über das Training hinter dem ausgeprägten Trizeps, der für den ein oder anderen noch erstrebenswerter als das Mathewissen erscheint.

Der Grund, warum wir Schüler Lernvideos gucken, liegt nahe: Es stellt einen guten Kompromiss dar, wenn man eigentlich weiß, dass Lernen sinnvoll wäre, man sich insgeheim aber zu nichts aufraffen kann und nur Zeit am Handy verbringen will. Zudem ist es sehr viel weniger anstrengend, sich von einer Stimme berieseln zu lassen, als am Schreibtisch richtig zu lernen. Diese Passivität stellt auch infrage, ob das Ansehen von Lernvideos wirklich wirksam ist: Selbst wenn der Lernstoff zwar tatsächlich komplett verstanden wurde, wird er danach meist nicht wiederholt und selbst angewandt wird, weshalb das Ganze nicht von nachhaltigem Nutzen ist.

Trotzdem kennt auch jeder das Gefühl, zu einem Lerninhalt, der über etliche Unterrichtsstunden unverstanden blieb, innerhalb der kurzen Dauer des Videos von wenigen Minuten den Durchblick zu erlangen. Außerdem kann entgegen Kritik einfach gehalten werden, dass Lernen auf diese Weise immer noch besser ist als es erst gar nicht zu tun.             

Für solche Videos spricht auch, dass man dank Pausieren und Spulen im individuellen Lerntempo lernen kann, was im Unterricht kaum machbar ist. Warum also nach der Corona-Sache überhaupt wieder in die Schule gehen?

„LehrerSchmidt“, der besonders für seine Erklärvideos im Fach Mathe bekannt ist, stellt diesbezüglich klar, dass Lernvideos als Ergänzung, nicht aber als Konkurrenz zum Unterricht aufzufassen sind. Nach ihm dienen sie als Werkzeug, um Jugendliche dort zu erreichen, wo sie sich sowieso „herumtreiben“, nämlich auf Plattformen wie YouTube, und den Weg zum Lernen angenehm und kurz zu gestalten, indem einfach nur ein Klick vom Unterhaltungsvideo zum Lernvideo gemacht werden muss.

Es ist nicht unbegründet, dass 88 Prozent der 12- bis 19-Jährigen regelmäßig einen solchen Klick tätigen. Gewonnenes Verständnis für Lernstoff wirkt motivierend und in den Kommentaren liest man ununterbrochen Dankesaussprüche dafür, dass nach … Minuten endlich das verstanden wurde, was der Lehrer nach 10 Stunden nicht zu vermitteln schaffte. An dieser Stelle sollte allerdings auch ein Blick auf die Haltung der Schüler geworfen werden: Der Unterricht wird von vielen Schülern mit dem Gefühl betreten, dass man das Kommende ja sowieso nicht verstehen wird, sei es sich selbst oder dem Lehrer geschuldet. Daraufhin wird sofort abgeschaltet und gar nicht erst ein Versuch gestartet. Dahingegen entscheidet man sich beim Anklicken eines Lernvideos mehr oder weniger gewillt, aber doch aus freien Stücken heraus dafür, sich den Stoff jetzt „reinzuziehen“. Auch wenn es tatsächlich nur als Notlösung gemacht wird, um das Lernen am Schreibtisch zu umgehen, ist es ein eigener Beschluss, sich dem Thema zu widmen. Die frei getroffene Entscheidung sorgt dafür, dass dem Inhaltlichen vermutlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, jetzt, wo man eh schon mal einen Teil der Freizeit opfert. Folglich ist es wirklich wahrscheinlicher, dass der Stoff verstanden wird. Auch die Tatsache, dass die Uhrzeit des Lernens mit Lernvideos im Gegensatz zu den festgelegten (frühen) Zeiten des Unterrichts vom Schüler selbst bestimmt wird, hat positive Auswirkungen:  zum einen auf die Lernbereitschaft (weil man über die „Macht der Freiheit“ verfügt anstatt Vorgeschriebenem unterlegen zu sein) und zum anderen auf das Lernvermögen (weil man zu der Uhrzeit lernen kann, zu der man sich tatsächlich am besten konzentrieren kann).

Im Ganzen ist gegen Lernvideos also nun wirklich nichts einzuwenden. Dass die heutige Zeit solche digitalen Möglichkeiten bietet, sollten Schüler wohl als Privileg anerkennen. Doch gerade in der momentanen Situation während der Corona-Pandemie, in der sich Schule nur digital abspielt, wird dem ein oder anderen wohl bewusst, dass der Kontakt von Mensch zu Mensch beim Lernen wirklich als Vorteil zu bewerten ist. Um die auf Moodle hochgestellten Aufgaben zu bearbeiten, sind Erklärungen nötig, die wir uns allerdings entweder eigenständig erarbeiten müssen oder eben anders einholen müssen: Solange die Schulen geschlossen bleiben, erweisen Lernvideos genau deshalb einen noch wertvolleren Dienst.

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